Kulturdenkmal
Rundgang durch die historische Schulstadt
Die Franckeschen Stiftungen zu Halle haben eine einzigartige Geschichte. Galten sie im 18. Jahrhundert als eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen in Deutschland, erlebten sie nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 eine beispiellose Rettungsaktion. Die historische Bausubstanz war erhalten, allerdings in einem bedauernswerten Zustand. Das großartige Engagement vieler Menschen hat es ermöglicht, der Architektur ihren alten Glanz zurückzugeben und den Franckeschen Stiftungen als Bildungskosmos wieder ein Zuhause zu geben. Sie sind eingeladen zu einem spannenden Spaziergang durch Geschichte und Gegenwart!
Haus 1
Das Historische Waisenhaus erstrahlt heute wieder so prächtig wie einst vor 300 Jahren. Zu DDR-Zeiten hatte man es jahrzehntelang vernachlässigt, bis es zum Schluss durchs Dach bis hinunter ins Erdgeschoss regnete und der Bau zusammenzustürzen drohte. In einer beispiellosen Sanierungsaktion konnte das Waisenhaus in den Jahren 1993–95 gerettet werden. Heute ist es als herausragendes Kulturdenkmal wieder weithin erkennbar.
Haus 2–4
1732–1734 wurde das großzügige Gebäude mit Wohn- und Lehrräumen für die Waisenknaben errichtet. Der solide Steinbau, große Fenster und lichte Räume repräsentieren das innovative, international ausstrahlende Waisenfürsorgekonzept Franckes.
Haus 5–7
Ab 1717 diente das Gebäude als Back- und Brauhaus der Versorgung der Schulstadt. Mit der ansteigenden Zahl der Waisenmädchen wurden hier nach grundlegendem Umbau (1741–1744) Lehr- und Wohnräume für Waisenmädchen geschaffen.
Haus 8–13
Im größten Fachwerkwohngebäude Europas, errichtet zwischen 1713 und 1716, lebten und lernten Studenten der Theologie und Schüler der Lateinischen Schule. Mit 115 m Länge, der Rasterfassade und dem schlichten Erscheinungsbild ist es für die Zeit des Barock einzigartig.
Haus 19
Kinder aus adligen und wohlhabenden bürgerlichen Familien erhielten in der 1697 gegründeten Schule mit Internat eine umfassende Ausbildung, die sie auf ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen vorbereitete. Die Schule zählte zu den besten Preußens im 18. Jahrhundert.
Haus 21
Ursprünglich diente das 1747–1748 errichtete Gebäude als Speisesaal für ausgewählte Zöglinge der Lateinischen Schule. Ab 1816 wurde es bereits als Kassen- und Verwaltungsgebäude der Stiftungen genutzt.
Haus 22
1726–1728 erhielt die Bibliothek des Halleschen Waisenhauses ein neues Gebäude, das heute als ältester erhaltener freistehender profaner Bibliothekszweckbau Deutschlands gilt. Die in dem Raum stehenden Bücherregale sparten Platz und gaben der Bibliothek den Namen Kulissenbibliothek.
Haus 23–24
1710 gründete Carl Hildebrand von Canstein (1667–1719) am Halleschen Waisenhaus die erste Bibelanstalt der Welt. Bis 1938 wurden hier rund 10 Millionen Bibeln im handlichen Format gedruckt und weltweit kostengünstig vertrieben. 1727–1735 entstand dieses Gebäude für die Druckerei und Verwaltung der Anstalt.
Haus 25
Das 1709–1710 errichtete Mägdeleinhaus steht für die Bemühung Franckes um die Institutionalisierung der Mädchenbildung. Die Mädchenwaisenanstalt und die Deutsche Mädchenschule waren hier untergebracht.
Haus 26
1709–1710 wurde das Haus dank großzügiger Spenden der englischen Queen Anne (1665–1714) vornehmlich für die Schüler aus England errichtet. Es zeigt die internationale Ausstrahlung des Halleschen Pietismus und den exzellenten Ruf der Stiftungsschulen. Im Erdgeschoss des Gebäudes waren zu Beginn in direkter Nachbarschaft zum Speisesaal die Mehlkammer, die Backstube und das Backhaus, untergebracht.
Haus 27
Im Erdgeschoss des 1710–1711 errichteten Gebäudes wurden im Speisesaal Zöglinge, Freitischler, Studenten, Lehrer und Angestellte verpflegt. Mehr als 3000 Menschen zählte die Schulstadt im Jahr 1727. Der große Versammlungssaal im Obergeschoss des Gebäudes wurde gleichermaßen für geistliche und weltliche Veranstaltungen genutzt und war als Andachtsraum Vorbild für zahlreiche protestantische Versammlungshäuser. Mittwochs und samstags wurde hier zu öffentlichen Singestunden eingeladen.
Haus 28
1702 bezog August Hermann Francke mit seiner Familie das Gebäude des ehemaligen Gasthofs »Zur goldenen Rose« aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Von hier aus leitete er bis zum Umzug 1715 in das Pfarrhaus der Ulrichskirche im Stadtzentrum den Aufbau der Franckeschen Stiftungen.
Haus 30
Der 1698 gegründete Verlag des Waisenhauses publizierte in hohen Auflagen neben Erbauungsschriften bis in das 20. Jahrhundert hinein deutschlandweit anerkannte Lehrbücher. Das 1732 errichtete Gebäude diente als Bücher- und Papiermagazin.
Haus 33
Zur Versorgung der Kinder und Angestellten der Schulstadt wurde die Meierei im Süden des Geländes ab 1729 nahe bei den Gärten, aber abseits der Wohn- und Unterrichtsgebäude eingerichtet. Im Viehhof wurden Nutztiere gehalten. Die umliegenden Scheunen dienten zur Lagerung von Stroh und Getreide.
Haus 35
1718 wurde das Gebäude als Schlachthaus der Meierei sowie für die Wäscherei der Schulstadt errichtet. Francke legte von Beginn an besonderes Augenmerk auf sorgfältige Hygiene, dazu zählte neben der Frischwasserversorgung und externen Latrinen auch das wöchentliche Wechseln der Bettwäsche.
Haus 35a
Zur Versorgung der Kinder und Angestellten der Schulstadt wurde die Meierei im Süden des Geländes ab 1729 nahe bei den Gärten, aber abseits der Wohn- und Unterrichtsgebäude eingerichtet. Im Viehhof wurden Nutztiere gehalten. Die umliegenden Scheunen dienten zur Lagerung von Stroh und Getreide.
Haus 36/36a
Das Wohnhaus für den Pächter des Landwirtschaftsbetriebes wurde ab 1718 errichtet. Ein Gebäudeteil diente als Wohnung, der andere zunächst als Viehstall. Ausgedehnte Gartenanlagen im Süden ergänzten den Versorgungsbereich um die Meierei.
Haus 37–39
1738–1741 wurde das lange Gebäude in direkter Nachbarschaft zum Speisesaal als neues Brau- und Backhaus errichtet. Unterirdische Versorgungsgänge verbanden es mit der Küche in Haus 27 und mit den dahinterliegenden Gebäuden.
Haus 51
1721–1722 entstand in den Franckeschen Stiftungen das erste Kinderkrankenhaus Deutschlands. Vornehmlich für Anstaltszöglinge wurde das Krankenhaus vom Waisenhausarzt geleitet, der gleichzeitig Universitätsprofessor war und hier die systematische Medizinerausbildung am Krankenbett einführte.
Haus 52–53
Das älteste erhaltene Druckereigebäude Halles wurde 1744 als Magazin für die Cansteinsche Bibelanstalt errichtet. Seit 1830 war hier auch die Druckerei der Bibelanstalt untergebracht, die 1884 mit der Waisenhausdruckerei zusammengelegt wurde. Das Gebäude wird derzeit saniert und soll 2020 der Nutzung übergeben werden.
Franckeplatz 4-5
Das Gebäude aus der Mitte des 16. Jahrhunderts verkörpert die ursprüngliche Bebauung in Glaucha vor Halle, Franckes wichtigstem Wirkungsort. Francke erwarb den Gasthof mit separatem Ausspann für Fuhrleute und nutzte ihn für pädagogische und soziale Zwecke.
Haus 31
1946 wurden die Franckeschen Stiftungen enteignet und der Martin-Luther-Universität zugeordnet. Für die erste Arbeiter- und Bauernfakultät in der DDR, ein Vorbereitungsseminar für das Hochschulstudium, entstand 1952–53 dieser Neubau.
Haus 40
Bereits in den Schulen Franckes war der Realienunterricht als Lehrmethode eingeführt worden. 1856–1857 entstand das erste Zweckgebäude für eine Realschule in Halle nach den Plänen Friedrich Wilhelm Ernst Steudeners (1802–1859).
Haus 42
1697 gründete Francke die Lateinische Schule zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium. 1904–1906 erhielt die Schule ein eigenes Gebäude im wilhelminischen Stil. Nach einem schweren Bombentreffer 1945 wurde es für die Einrichtung der ersten Arbeiter- und Bauernfakultät der DDR grundlegend umgebaut.
Haus 43
1913–1914 wurde die Oberrealschule errichtet, um der hohen Schülerzahl und den wachsenden Ansprüchen der naturwissenschaftlichen Fächer Raum zu geben. Das Gebäude auf unsicherem Baugrund wurde statt eines Fundaments mittels fest im Boden verankerter Betonpfeiler stabilisiert.
Haus 48
Als erster Neubau der wiedergegründeten Franckeschen Stiftungen entstand 1993–1995 die Kindertagesstätte August Hermann Francke.
Haus 49
1978–1979 wurde das Schulgebäude mit einer Turnhalle als standardisierter DDR-Plattenbau des Typs Erfurt II zusammen mit den Wohnblöcken im Südosten des Geländes der Franckeschen Stiftungen errichtet.
Haus 54
1896 erhielt die bereits bestehende höhere Mädchenschule ein eigenes Gebäude und führte so die von Francke eingeführte Mädchenbildung fort. Der Baukörper ganz im Zeitgeschmack aus roten Klinkern machte die Schule das Gebäude im Volksmund als "Rote Schule" bekannt.
Haus 55–56
Das Kindertageszentrum wurde wie die umstehenden Wohnblöcke in Plattenbauweise als Kindertagesstätte für das umliegende Wohnviertel errichtet. 2003–04 wurde das Gebäude grundlegend modernisiert und erhielt ein zusätzliches Stockwerk.