Das geschriebene Wort und die Entfaltung des Individuums seit dem Pietismus
Der Brief ist dem Charakter nach eine Schriftgattung für den direkten, oft ganz privaten Austausch zwischen Einzelpersonen oder klar definierten Gruppen. So ist der Brief besonders geeignet, die Individualität und Subjektivität von Schreiber und Empfänger hervortreten zu lassen. Das beginnt mit der äußeren Form, zumal wenn der Brief handschriftlich, auch auf bestimmtem Briefpapier verfasst ist. Dies gilt aber insbesondere für die Inhalte und Botschaften, die gleichsam maßgeschneidert sind für die Kommunikation zwischen Schreiber und Adressat.
Der Pietismus beförderte die Individualisierung der Gesellschaft, indem er jeden Menschen in Fragen des Glaubens, der Bildung, der sozialen Teilhabe und der persönlichen Lebensführung in den Blick und in die Verantwortung nahm. Insofern war das Briefwesen ein bevorzugtes Kommunikationsmittel im Pietismus, das hier zu einer besonderen Blüte gelangte und eine sich ausweitende Briefkultur im 18. und 19. Jahrhundert begründete. Daneben erlebten vor allem das Tagebuch sowie die Autobiografie als Medien der persönlichen Seelenerforschung und religiösen Selbstvergewisserung im Pietismus eine Blüte.
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