Unser Thema zum Welttag des Buches am 23. April 2023: Christiane Marianne Ziegler (1695–1760), Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts im Auge der Kritik Ihre Expertin: Claudia Weiß (www.francke-halle.de/forschung) Unsere Veranstaltungstipps im Begleitprogramm im April/Mai 24. April, 19.00 Uhr Wer hat hier die Hosen an? Ein literarisch-historischer Abend zu Geschlechterrollen und -konflikten im 18. Jahrhundert mit der Autorin Angela Steidele 16. Mai 2023, 18.00 Uhr Persönlichkeiten im Gespräch mit dem Autor Ingo Schulze Gegen ein lähmendes »Weiter so« Veranstaltung in Kooperation mit MDR Kultur
Die Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen 2023 unter dem Titel »Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute« erlaubt auf der historischen Streitarena Marktplatz einen Einblick in die Streitkultur der Frühen Neuzeit. Der Marktplatz war der öffentliche Ort, an dem diskutiert, gestritten und – für alle sichtbar – bestraft wurde. Eine breite Medienpalette wie Flugblätter oder Flugschriften, Zeitungen oder Druckgrafiken, Parodien oder Schmähschriften wurde durch umherziehende Händler:innen angeboten und erlaubte den Marktbesucher:innen, auch an den Streitfällen weit über den eigenen Marktplatz hinaus teilzuhaben. Eine Frau als Dichterin und Gelehrte – der Streitfall Christiane Marianne von Ziegler (1695–1760) Kuratorin Claudia Weiß erinnert in der Ausstellung an die erfolgreiche Schriftstellerin Christiane Marianne von Ziegler, die auch als Gründerin eines der ersten literarisch-musikalischen Salons in Leipzig besonders im Licht der Öffentlichkeit stand. Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) vertonte als Thomaskantor ihre Kantatentexte und Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) druckte in der moralischen Wochenschrift »Die vernünftigen Tadlerinnen« ihre Artikel. 1733 verlieh ihr die Universität Wittenberg die kaiserlich privilegierte Dichterkrone einer »Poeta laureata«. Der akademische Grad erlaubte es ihr, an den Universitäten des Reiches zu lehren, was ihr einige Studenten nicht zugestehen wollten. Erniedrigende Schmähgedichte, die ihre Texte als Plagiate ausgaben und sie beschuldigten, Männer zur Unzucht und zum Ehebruch verleitet zu haben, zeigen in der Ausstellung, wie auch im Jahrhundert der Aufklärung öffentlich die Grenzen des Sagbaren überschritten wurden. Ihre Arbeit als Lyrikerin, Poetin und Autorin moralischer, ästhetischer wie auch politischer Abhandlungen verteidigte sie: »Man wird auch kein Gesetze anführen können, welches die Weiber ausschliesset, der Weisheit nachzugehen, die man durch Wissenschaften erlangen kann. Doch ist zu beklagen, daß so bald sich nur ein edler Trieb zu der und jener Wissenschaft, bey einem oder dem andern Frauenzimmer äussert; so bald es die Feder ergreifet, […] es sich harten Urtheilen, Lästern, Schmähen, und den empfindlichsten Begegnungen ausgesetzet sehen muß.« Christiane Marianne von Ziegler, Dies.: Vermischete Schriften in gebundener und ungebundener Rede. Göttingen: Universitäts-Buchhandlung, 1739, 394–399, hier 396 Termine im Begleitprogramm zur Jahresausstellung | April/ Mai 2023 (Auswahl) Veranstaltungstipp 16. Mai, 18.00 Uhr Persönlichkeiten im Gespräch mit dem Autor Ingo Schulze Gegen ein lähmendes »Weiter so« Einfachen Antworten misstraut er: Der Autor Ingo Schulze analysiert in seinen Romanen kritisch die Zustände in Deutschland, zuletzt die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen. 1962 geboren, stammt er aus Mitteldeutschland, wächst in einer gläubigen Familie auf, kann sich sogar vorstellen, Pfarrer zu werden. Sein erstes Buch »Simple Storys« wurde ein Besteller, in 30 Sprachen übersetzt und ist heute Schullektüre. Ingo Schulze ist zu Gast in der Persönlichkeiten-Reihe in Kooperation mit MDR Kultur. Historisches Waisenhaus, Freylinghausen-Saal 24. April, 19.00 Uhr Wer hat hier die Hosen an? Ein literarisch-historischer Abend zu Geschlechterrollen und -konflikten im 18. Jahrhundert mit der Autorin Angela Steidele Den Bezugsrahmen des Abends bilden die Jahresausstellung mit ihrem zugehörigen Katalog und der neue Roman »Aufklärung« (Insel Verlag 2022) von Angela Steidele. Holger Zaunstöck und Claudia Weiß präsentieren historische Darstellungen des »Streits um die Hose« und stellen dar, wie Zeitgenossen darin den Diskurs um Geschlechterrollen spiegelten. Dieses aufnehmend, wird Angela Steidele Passagen aus ihrem Roman lesen. Sie lässt raffiniert historische Tatsachen und Fiktion ineinanderfließen, schließt so Überlieferungslücken und stellt aus feministischer Perspektive alternative Thesen über die Geschlechterrollen zur Diskussion. Lesung in der Buchhandlung des Waisenhauses 06. Mai, 18.00 – 24.00 Uhr Museumsnacht Halle-Leipzig Liebe und Zwietracht im Apfelhain Museumsnacht mit Illuminationen, Führungen, Mitmachangeboten, Lyrik-Lesungen, Live-Musik und Apfelbar Paradiesäpfel, Liebesäpfel, Zankäpfel, goldene Äpfel – die Bedeutungen des Apfels in Antike, Christentum und Popkultur sind unendlich – aber immer dreht es sich um Liebe und deren Kehrseite, Glück und Unglück liegen eng beieinander. Der Freylinghausen-Saal wird sich zur Museumsnacht in einen Apfelhain verwandeln, nehmen Sie einen Liebestrunk an der Apfelbar, lassen Sie sich auf der Gartenbank neben Amor nieder und entdecken Sie, wen sein Pfeil schon getroffen hat. Das Thema der Nacht wird kreativ umgesetzt ebenso in Führungen durch die Wunderkammer, in Lesungen mit Schauspielstudierenden und einem Musikprogramm der Band ZweiSaiten wie auch in der Apfelarena für Kinder und Familien: Wer ist so treffsicher wie Wilhelm Tell, so gefräßig wie Raupe Nimmersatt oder so fleißig wie Goldmarie? Und hat Fußball nichts mit Liebe zu tun? In der Jahresausstellung lädt das Kurator:innenteam zu Themenführungen ins Fußballstadion, zu Musikbattles und in Streitarenen des 18. Jahrhunderts ein. Ein Highlight zur Museumsnacht ist jedes Jahr wieder das aufwendig illuminierte Gelände der historischen Schulstadt mit Gartenlokal im Lindenhof. Historisches Waisenhaus, Historische Bibliothek, Lindenhof Infos und Vorverkauf 07. Mai, 11.00 Uhr Familienstunde im Museum Zank, Zwist und Rangelei Auf den Fersen von Streithähnen in Geschichte und Gegenwart: Was ist ein Watschenkonzert und was verbirgt sich unter einem Schandmantel? Eintritt: 10 € (Familienkarte), Anmeldung bis 05. Mai im Infozentrum (Haus 28, infozentrum ( at ) francke-halle.de) 15. Mai, 10.00 – 16.00 Uhr Theaterworkshop für Jugendliche Spot on: Streit Nicht selten ist die Öffentlichkeit ungefragt Bühne für Streitende. Hier läuft es umgekehrt: Kann man auch leise streiten und trotzdem in der letzten Reihe wahrgenommen werden? Anmeldung erforderlich: stark( at) francke-halle.de JAHRESAUSSTELLUNG DER FRANCKESCHEN STIFTUNGEN Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute 18. März 2023 bis 04. Februar 2024 Di – So, feiertags 10 – 17 Uhr Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale) Eintritt 8 Euro, erm. 5 Euro, bis 18 Jahre frei WISSENSCHAFTLICHER BEGLEITKATALOG Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute. Herausgegeben im Auftrag der Franckeschen Stiftungen von Claudia Weiß und Holger Zaunstöck. Halle 2023 (Kataloge der Franckeschen Stiftungen, 39). 200 S., 155Abb., € 28,00; ISBN 978-3-447-11977-1 Mit einer Einführung der Kurator:innen Prof. Dr. Holger Zaunstöck und Claudia Weiß und Beiträgen des hochspezialisierten interdisziplinären Expert:innen-Teams zur Ausstellung aus der Geschichts-, Medien- und Literaturwissenschaft sowie der Medienlinguistik und Kunstgeschichte. |