Von der Stunde Null zur segensreichen Stütze

30 Jahre Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen 2020

Die Gründungsmitglieder des Freundeskreises der Franckeschen Stiftungen sitzen am Tisch und stimmen einstimmig über die Satzung ab.

Am 9. Juni 2020 feierte der Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen e.V. sein 30-jähriges Bestehen. Wir alle feierten in Gedanken mit und gratulierten herzlich zu 3 Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit auf der Basis von ehrenamtlichem Engagement. Der Freundeskreis ist mit über 1000 Mitgliedern nicht nur einer der größten Fördervereine dieser Art in Mitteldeutschland, er ist auch seit seiner Gründung verlässlicher Partner, Impulsgeber und finanzieller Förderer der Stiftungsarbeit. Mehr noch, ohne seinen Freundeskreis gäbe es die Franckeschen Stiftungen vermutlich in dieser Form heute gar nicht. Denn aus seiner Mitte heraus erscholl erst der Ruf nach einer Wiederbelebung der Stiftungen als einer eigenständigen Einrichtung. Viele namhafte Projekte wären ohne die finanzielle Unterstützung des Freundeskreises nicht so zustande gekommen. Dazu gehört die Restaurierung der Wunderkammerschränke ebenso wie sogar die Sanierung der Latinagebäude. Aber auch die Arbeit im Pflanzgarten, in Stichelsdorf, in den Kindertagesstätten, im Studienzentrum und im Krokoseum hat der Freundeskreis sehr befördert. Dafür gilt es allen Mitgliedern und SpenderInnen herzlichen Dank zu sagen, allen voran dem Präsidenten Michael Reinboth und seinen drei Vorgängern bis zurück zum Gründungspräsidenten Prof. Paul Raabe, aber auch dem gesamten Vorstand, der Koordinatorin Franka Schneider und nicht zuletzt Herrn Dr. Loof. Die Stiftungen und ihr Freundeskreis sind auf das engste miteinander verbunden und wollen es auch in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Der Freundeskreis braucht neue Mitglieder, um seine wichtige Arbeit fortsetzen zu können. Das Jubiläum ist die richtige Gelegenheit, um einzutreten. Welche Gründe dafür sprechen und warum es sich lohnt, können Sie aus der Sicht einer Juniorin im Freundeskreis untenstehend nachvollziehen. Herzlich willkommen!

Thomas Müller-Bahlke

Die Stunde Null

Ein Einblick in das Tagebuch von Prof. Dr. Helmut Obst bringt die aufregenden Stunden rund um die Gründung des Freundeskreises zurück:

Sonnabend, d. 9. Juni 1990
Heute wird der »Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen e. V.« gegründet.

Der Vorabend, Freitag, der 8.6., bringt zunächst noch mal viel Überraschendes. Den Vertreter der Theologischen Fakultät in der Kirchenleitung, Dr. Beintker, hatte ich gebeten, über die geplante Gründung des Freundeskreises auf der Sitzung der Kirchenleitung zu berichten. Gegen 18 Uhr Anruf aus Magdeburg, Konsistorium und Kirchenleitung haben sich mit der Frage befasst. Einer der juristischen Konsistorialräte bittet mich dafür Sorge zu tragen, dass die Satzung des Freundeskreises nicht Position in der Eigentumsfrage der Stiftungen bezieht, der vorliegende Entwurf täte das durch die eindeutige Zuordnung zur Universität. Die Stiftungen seien 1946 durch das Präsidium der Provinz Sachsen aufgelöst worden, ihr Besitz enteignet. Die Kirche habe als Wahrerin des Stiftungswillens des Gründers dagegen Einspruch erhoben, den Vorgang nie als rechten anerkannt. Die Frage soll aufgerollt werden mit dem Ziel, die Stiftungen wieder herzustellen.

In der Sache ist das alles gut, für die morgige Gründungsversammlung kann das eine Katastrophe bedeuten. Das muss ich verhindern.

Am Sonnabend, den 10.6.1990, 10.15 Uhr treffen sich die aktivsten Gründungsmitglieder zu einer Vorbesprechung im Tschernyschewski-Haus. Das Vorbereitungskomitee hatte mich gebeten, die Versammlung bis zur Wahl des Präsidenten zu leiten, Kollege Arno Sames solle die Wahlhandlung durchführen. Energisch nehme ich die Vorbesprechung in die Hand. Es gelingt schließlich, die Neutralität des Freundeskreises in der Eigentumsfrage, die zugleich die Zukunft der Franckeschen Stiftungen elementar berührt, durchzusetzen. Streichungen werden vorgenommen, ein Zusatz wird formuliert. Auch der Rektor stimmt zu.

11 Uhr eröffne ich die Versammlung im Wilhelm-Pieck-Saal unter dem großen Bild des ersten DDR-Präsidenten.

Etwa 60 Personen haben sich versammelt. Es gibt wie in alten Zeiten einstimmige Ergebnisse.

Zum Präsidenten wird der Direktor der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Raabe gewählt, ich zum Vizepräsident. Mittags ein Essen im »Haus der Wissenschaft«.

Die Gründung des Freundeskreises im Pressetext vom 9. Juni 1990

Der Pressetext zur Gründung des Freundeskreises lässt kaum etwas von der Aufregung erahnen, die das Ereignis begleitet hatte. Das Gremium legte sehr weitsichtig den Grundstein für die heutigen Stiftungen: Im Originaldokument können Sie nachlesen, welche Pläne bereits entwickelt worden waren, welche Ausstellungen geplant und welche Schwerpunkte für die Stiftungsarbeit festgelegt wurden.

Der Nachwuchs 2020

Warum Pauline Haschke ihre Freizeit dem Freundeskreis widmet? Wir stellen ihre beeindruckende Rede zur Francke-Feier 2020 vor.

Porträt von Pauline Haschke, Juniorin des Freundeskreises, vor dem Historischen Waisenhaus

Die Francke-Feier konnte erstmals in ihrer Geschichte im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Wir stellen die Rede von Pauline Haschke zum 30. Gründungsjubiläum des Freundeskreises hier online vor:

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller-Bahlke, liebe Stiftungsmitglieder, liebe Gäste,

es ist für mich eine große Ehre heute hier stehen und im Namen des Junioren Freundeskreises der Franckeschen Stiftungen zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Mein Name ist Pauline Haschke und ich bin seit März 2015 Mitglied im Junioren Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen.

Im Zuge der folgenden Rede habe ich nicht nur die Anfänge der Stiftungen oder die des Freundeskreises, sondern auch meinen persönlichen Anfang in den Stiftungen rekapituliert. Meine ersten Eindrücke bekam ich über meine Schulzeit an der Latina –  in diesem Alltag, der sich bei mir die letzten 8 Jahre in den Häusern 42 und 43 abspielte, entwickelten sich die Franckeschen Stiftungen schnell zu einem vertrauten Ort. Trotzdessen blieben einige Teile undurchsichtig und aufregend. Manche Fragen oder Orte konnte ich bis heute nicht durchdringen, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass die Franckeschen Stiftungen, als Kulturkomplex eine solche Vielfalt an Einrichtungen, Geschichte und Veranstaltungen zu bieten haben, dass ich und wahrscheinlich auch viele andere, seien es Stiftungsmitglieder oder Besucher, stets animiert sind, das Stiftungsgeschehen tiefer ergründen und detaillierter kennenlernen zu wollen.

Als ich dem Junioren Freundeskreis schließlich beitrat, wurde ich größtenteils von der Motivation getrieben, ein Teil von allem werden zu wollen. Und dies eben nicht nur passiv, indem ich Tag ein Tag aus, von der Bildung, die einem hier auf so vielen Ebenen geboten wird, zehre, sondern indem ich aktiv das Stiftungsleben mitgestalte. Tatsächlich wurde genau dies durch die Arbeit im Freundeskreis möglich. Dazu, nach einem kurzen Abstecher in die Bedeutung des Engagements in den Stiftungen, gleich mehr.
Der Grund dafür, warum ich ursprünglich mein Schulleben ansprach, ist eine kleine, persönliche Erkenntnis. Wir, als 14-jährige Schüler, erhielten die Aufgabe, ein Portfolio zum Thema Alltagshelden anzufertigen. Ich überlegte damals tage – oder sogar wochenlang, welche Gruppe von Menschen und welche Art von Engagement eines solch umfangreichen Aufsatzes würdig wären. Schließlich entschied ich mich für eine sehr spezielle Organisation, die in unserem Alltag hier nicht wirklich eine Rolle spielt. Später fiel mir auf, dass ich das, was mir selbst im Alltag jeden Tag begegnet, übersehen hatte. Und Sie können sich nun sicher denken, welche Erkenntnis in mir gereift war: Alle ehrenamtlichen Helfer der Stiftungen sind kleine oder auch große Alltagshelden. Jeder, der einen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Weiterführung des Wohltätigkeitsgedanken leistet, wäre sicherlich auch in Franckes Augen ein Alltagsheld. Denn dieses Engagement ist leider nicht für alle eine Selbstverständlichkeit.

Wir als Junioren  - und das würde ich auch als das Schönste an dieser Art Engagement in den Stiftungen bezeichnen – versuchen im Alltag mit kleinen Schritten und vielen Händen, hintern den Kulissen diverse Veranstaltungen zu organisieren und alles dafür Nötige vorzubereiten. So reicht unser Aufgabenfeld vom Kuchenbacken für die »Ehemaligen Lehrertreffen«, über das Legen der Franckeblätter, das Pflegen des Stadtgottesackers bis hin zu Garderobendienste bei regelmäßigen Veranstaltungen im Freylinghausensaal.

Aber all diese Aufgaben, die wir erfüllen wollen, kommen letztlich erst dadurch zustande, dass in einem anderen Bereich ebenfalls kreative Köpfe und fleißige Hände gemeinschaftlich an Projekten arbeiten, die unserer Unterstützung überhaupt erst bedürfen. Daraus resultieren zwei Dinge. Zum einen, dass hier in den Stiftungen ein Kreislauf entstanden ist, ein Komplex, der zum erfolgreichen Bestehen auf die Bereitschaft zur Mithilfe eines jeden aufbaut. Und zweitens muss man sich, wie ich finde, immer wieder vor Augen führen, wie deutlich sich die kleinste, aber zuverlässige Unterstützung auf die Zukunft und die Geschichte der Franckeschen Stiftungen auswirken kann.

Nur in dem Bewusstsein, der gegenseitigen Bedingtheit aller Einrichtungen mit den dahinter stehenden Menschen und der absoluten Notwendigkeit jedes zusätzlichen, freiwilligen Engagements, vor allem über berufliche oder schulische Pflichten hinaus, kann man es schaffen, eine solche Bildungs- und Kulturstätte, die August Hermann Francke im Jahre 1698 zu errichten begann, zu bewahren, zu pflegen und dem Zeitgeist entsprechend weiter zu entwickeln.
Der Schlüssel zum Erfolg eines Vereins solcher Dimension verrät das diesjährige Motto: Tatkraft! Dies zeigt sich natürlich in dem Ziel, mit dieser Tatkraft Berge versetzen zu wollen. Wir alle wissen, dass dies leichter gesagt, als getan ist. Es ist alles andere, als selbstverständlich, dass die Stiftungen seit 322 Jahren bestehen und zwar trotz aller Höhen und Tiefen erfolgreich bestehen. Denn die Stiftungen sind bis zum heutigen Tage keine gewöhnliche Bildungsstätte. Hier wird gelebt und gemeinsam geschafft. Tagtäglich versetzt jeder, der an der Erhaltung der Stiftungen im Sinne Franckes mitwirkt, einen kleinen Hügel, bis schließlich gemeinsam Berge erklommen oder eben gar Berge versetzt werden können. Nur gemeinsam kann man alle Herausforderungen meistern, um so die Ergebnisse zusammen genießen, zu können.

Das Engagement, welches der Freundeskreis seit 30 Jahren leistet, pflegt Traditionen, stärkt die Beständigkeit und kurbelt nicht nur die Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes, sondern auch dessen Weiterentwicklung an.

Führt man sich all diese Aspekte vor Augen, erfüllt es mich persönlich mit Respekt vor der Leistung, welche die Gründungsmitglieder des Freundeskreises erbrachten. Die absolute Überzeugung und der Mut, sich dieser Herausforderung zu stellen, begeistern aber nicht nur mich, sondern motivieren bis heute Menschen aller Generationen, die in den Stiftungen zu Hause sind.
Letztens habe ich gelesen, dass 4000 Menschen in den Stiftungen ein- und ausgehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Herzen von einigen dieser Menschen angefangen haben, für die Stiftungen zu schlagen und die Stiftungen tatsächlich ein Zuhause oder zumindest ein zweites Zuhause für viele darstellt. Genau diese Menschen sind es, die das Leben zwischen 4000 Menschen und 50 Gebäuden aus 4 Jahrhunderten aufrechterhalten. Genau diese Menschen sind es, die ihre Zeit und ihre Kraft nicht nur in ihre persönliche Entwicklung investieren, sondern eben zum großen Teil in die Entwicklung einer Einrichtung mit dem Ziel von gleichberechtigter Bildung und Erhaltung von Kultur und Geschichte in den unterschiedlichsten Bereichen.
Dies macht ehrliches Engagement aus: Man steht mit Überzeugung hinter einem gemeinsam Ziel, hinter gemeinsamen Perspektiven und gemeinsamen Idealen. So, wie wir hier in den Stiftungen. Denn, was wären nicht nur die Stiftungen, sondern sogar eine Welt ohne die Bereitschaft Gutes zu geben, um Gutes zu schaffen?
Wir bei den Junioren werden als die jüngste Generation im Freundeskreis nicht nur an das Stiftungsleben herangeführt, sondern auch zur gesellschaftlichen Teilhabe und Weltoffenheit animiert. Auch die persönliche Entwicklung wird gefördert. Zum einen, trifft man unglaublich viele Menschen und lernt von diesen oder von den Wissensbeständen der Stiftungen selbst.  Zum anderen, fühlt sich jede Betätigung in den Stiftungen gut und richtig an.  Sie macht zufrieden, weil man weiß, man hilft, etwas Großes Voranzubringen. Ich wage an dieser Stelle zu behaupten, dass dies nicht nur uns, als Junioren, so geht.

Zum Abschluss eine kleine Metapher: Oft sagt oder hört man, dass das Herzstück der Franckeschen Stiftungen das Waisenhaus sei, mit dem alles begann. Materiell gesehen, stimme ich dem auch vollkommen zu. Doch ich möchte Ihnen zum Abschluss meine Neuinterpretation im Sinne des diesjährigen Stiftungsmottos zu diesem Begriff mitgeben: Das Herzstück der Franckeschen Stiftungen sind die Menschen, die mit Freude und Überzeugung an der Gestalt, der Wirkung und der Zukunft dieser alt bewährten, aber dennoch zukunftsorientierten Einrichtung arbeiten und stets das Stiftungsgeschehen neu beleben!

 

Vielen Dank!