Alchemie und Pietismus

Aktuelles DFG-gefördertes Forschungsprojekt »Alchemie und Pietismus. Alchemische Praxis am Halleschen Waisenhaus im 18. Jahrhundert«

Im Zentrum des Projekts steht die Bestimmung des Verhältnisses von pietistischer Religiosität und alchemischen Praktiken sowie theoretischen Übernahmen aus der spekulativen Alchemie am Halleschen Waisenhaus im 18. Jahrhundert. Eine Kernthese ist dabei, dass die dort praktizierte Pharmazie und Medizin enger als bisher angenommen mit der medizinischen Alchemie der Frühen Neuzeit verbunden waren.

Das Forschungsprojekt an der Stabsstelle ist im April 2023 angelaufen. Ausgehend von der Beobachtung, dass alchemische Praktiken der Medikamentenherstellung im 18. Jahrhundert eine entscheidende Grundlage für die Arbeit in den Laboratorien der am Halleschen Waisenhaus angesiedelten Apotheke und Medikamenten-Expedition darstellten, geht die Projektbearbeiterin Claudia Weiß der Frage nach, welche konkreten alchemischen Wissenspraktiken hier wirksam wurden. Dabei untersucht sie, welche naturphilosophischen Grundannahmen aus der alchemischen Tradition die medizinischen Auffassungen der Pietisten am Halleschen Waisenhaus beeinflussten.

Ziel des Projekts ist es, das umfangreiche pharmaziehistorische Quellenkorpus in Archiv und Bibliothek der Franckeschen Stiftungen – insbesondere die zahlreich überlieferten Laborberichte und alchemischen Manuskripte – erstmals einer eingehenden wissensgeschichtlichen Analyse bezüglich der alchemischen Praxis und argumentativen Einbettung in den Pietismus zu unterziehen.

Kooperationen:

Es besteht eine Kooperation mit dem Forschungs- und Studierendenprojekt »Matthäus Merian d.Ä. und die Bebilderung der Alchemie um 1600« der Goethe-Universität Frankfurt am Main und mit Professor Peter Imming, Leiter des Institutsbereichs Pharmazeutische/ Medizinische Chemie und Klinische Pharmazie der MLU Halle. 

Zudem besteht eine Mitgliedschaft im »Netzwerk Alchemie«, auf dessen Arbeitstreffen das Projekt am 27. Juni 2022 im Forschungszentrum Gotha vorgestellt wurde. Am 14. Oktober 2024 wurde dort erneut über ein spezifisches Teilthema unter der Überschrift »Ein theosophisch-alchemischer Referenzraum um 1700? Hallesches Waisenhaus, Sulzbacher Hof und Friedrich Breckling« referiert.

 

Ankündigung Vortragsabende »Pharmazeutische Wissenswelten in Geschichte und Gegenwart«

13. November 2024 und 24. April 2025, zusammen mit dem Institut für Pharmazie 

Am ersten Abend (13. November 2024) wird der Fokus auf pflanzenheilkundlichem Wissen liegen, das in unterschiedlichen Kontexten in Vergangenheit und Gegenwart gewonnen und ausgetauscht wurde bzw. wird. Vorgestellt wird das Kooperationsprojekt »Tri-Sustain«, das die pharmazeutische Nutzung afrikanischer Pflanzen erforscht – es ist ein Zusammenschluss von Forschenden mehrerer Länder Subsahara-Afrikas sowie der MLU Halle. Dies wird in Beziehung gesetzt zu Praktiken arzneikundlicher Wissensproduktion in Missionen des 17./18. Jahrhunderts.

Am zweiten Abend (24. April 2025) werden aktuelle Ergebnisse aus der pharmaziegeschichtlichen Forschung zur alchemischen Praxis am Halleschen Waisenhaus, den heutigen Franckeschen Stiftungen, vorgestellt. Eingeleitet werden diese durch einen Überblick zur Labortechnik des Destillierens seit der Antike. Präsentiert wird außerdem ein Projekt, welches eine herausragende handschriftliche Quelle alchemischen Wissens erstmals für die Forschung und die Allgemeinheit digital verfügbar macht.

Weitere Informationen und das Programm finden Sie hier.

 

Ankündigung Workshop »Alchemisches Wissen und praktisches Laborieren. Arzneimittelproduktion in der Frühen Neuzeit«

5.–6. März 2025, Franckesche Stiftungen

Im Mittelpunkt des projektbegleitenden intedisziplinären und öffentlichen Workshops werden die medizinische Alchemie und mit ihr verknüpfte frühneuzeitliche alchemische (Wissens-)Praktiken stehen. Der Workshop möchte hierzu einen fachlichen Austausch aus sowohl wissensgeschichtlicher wie auch pharmazie- und chemiegeschichtlicher Perspektive ermöglichen.

Programm und Anmeldemodalitäten finden Sie hier.

Kontakt: weiss(at)francke-halle.de 

 

 

Vortrag auf der 33. Tagung der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft: »Christian Knorr von Rosenroth und der Pietismus« (4.–6. Juli 2024, Sulzbach-Rosenberg)

Claudia Weiß hielt einen Vortrag zum Thema »Theosophisch-alchemischer Wissensaustausch um 1700. Verbindungslinien zwischen dem Halleschen Waisenhaus, Friedrich Breckling in den Niederlanden und dem Sulzbacher Hof«. In diesem wurde das intensive Interesse an der Verknüpfung von kabbalistischem und alchemischem Wissen betont, das Akteure des Halleschen Waisenhauses mit solchen am Sulzbacher Pfalzgrafenhof sowie Friedrich Breckling (1629–1711) als einem Wegbereiter des Pietismus bzw. vehementen Kritiker innerhalb der lutherischen Kirche verband. Dabei habe man sich nicht auf das Feld der spekulativen Alchemie beschränkt, sondern sich auch eingehend mit dem praktischen Laborieren befasst. Zu diesen Themen habe ein intensiver brieflicher Austausch zwischen Breckling und mehreren Protagonisten am Halleschen Waisenhaus, insbesondere dem Waisenhaus-Gründer und -Direktor August Hermann Francke (1663–1727), stattgefunden. Dabei sei es zu einer Rezeption alchemischer sowie kabbalistischer Wissensbestände gekommen, welche auf das Schaffen des Sulzbacher Kreises, insbesondere des Beamten und Universalgelehrten Christian Knorr von Rosenroths, zurückgingen.

 

Vortrag »Alchemie am Halleschen Waisenhaus. Christian Friedrich Richter (1676–1711) – Pietist und alchemischer Praktiker?« (2. November 2021)

Der Vortrag von Claudia Weiß im Kolloquium »Neuere Forschungen zur Geschichte der Frühen Neuzeit und Landesgeschichte« der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befasste sich mit dem ersten Leiter der Medikamenten-Expedition sowie Entwickler der ersten hauseigenen Waisenhaus-Arzneimittel, welche auf alchemischen Rezepturen basierten. Bei der Medikamenten-Expedition handelte es sich um diejenige erwerbende Einrichtung am Halleschen Waisenhaus, welche für die Entwicklung und Produktion sowie den Versand der hauseigenen »Waysenhaus-Arzeneyen« zuständig war.

 

»Alchemie am Halleschen Waisenhaus« im Rahmen der medizingeschichtlichen Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen 2021

Dem Thema »Alchemie am Halleschen Waisenhaus« wurde im Rahmen der Jahresausstellung unter dem Titel »Heilen an Leib und Seele. Medizin und Hygiene im 18. Jahrhundert« ein eigener Ausstellungsraum – eingebettet in den pharmazie- und alchemiegeschichtlichen Kontext der Zeit – gewidmet. Unter der Überschrift »Stoffe zur Heilung – Im alchemistischen Laboratorium«wurden in vier Teilbereichen zentrale Aspekte des Themas vorgestellt: 1. ProtagonistInnen: die Alchemistin/der Alchemist, 2. Das Laboratorium als zentraler Ort alchemischer Tätigkeit, 3. Arzneimittel und Rezepturen, 4. Alchemische Literatur. Im Begleitkatalog zur Ausstellung erschien hierzu folgender Aufsatz von Claudia Weiß: »›[V]on der löblichen Kunst Alchymia‹. Alchemistische Pharmazie am Halleschen Waisenhaus im 18. Jahrhundert«.

Die Ausstellung wurde flankiert von einem umfangreichen Rahmenprogramm, welches einen Vortrag der Projektbearbeiterin unter dem Titel »Die Essentia dulcis – das alchemische ›Aspirin‹ des 18. Jahrhunderts. Wirkmechanismen und das Rezept ihres ökonomischen Erfolgs« beinhaltete. Im Zentrum stand hierbei die auf der alchemischen Arzneitradition fußende Goldtinktur Essentia dulcis, die im 18. Jahrhundert am Halleschen Waisenhaus gefertigt sowie weltweit versendet wurde.

 

»Alchemie am Halleschen Waisenhaus« im Rahmen der geologiegeschichtlichen Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen 2020

In ihrem Aufsatz »›In der Erde liegen die größten Geheimnisse‹ – Von ›belebten‹ Steinen und Metallen und deren Bedeutung in der alchemistischen Arzneitradition« geht Weiß im Katalog zur Ausstellung »Im Steinbruch der Zeit. Erdgeschichten und die Anfänge der Geologie« unter anderem den Anleihen nach, welche die Arzneiproduktion am Halleschen Waisenhaus im 18. Jahrhundert an naturphilosophischen Vorstellungen der Alchemie nahm. Kenntnisse sowie Ausgangsstoffe (Metalle, Mineralien etc.) aus dem Bergwerks- und Hüttenwesen spielten für die alchemische Laborarbeit und Medizin eine bedeutende Rolle und waren auch für die pharmazeutisch-alchemischen Praktiken am Halleschen Waisenhaus unverzichtbar.

 

Quellenedition dreier Schriftstücke aus der Anfangszeit von Waisenhaus-Apotheke und Medikamenten-Expedition 2017

Eine Auswahl von drei Quellentexten aus dem frühen 18. Jahrhundert, die alle von Christian Friedrich Richter – einem wichtigen Protagonisten der pharmazeutisch-alchemischen Arbeit am Halleschen Waisenhaus – stammen, erschien 2017 im Verlag der Franckeschen Stiftungen:

Christian Friedrich Richter: Von der Apotheke und Artzney-Wesen bey dem Wäysenhause zu Glaucha an Halle. Drei Quellentexte zur Waisenhaus-Apotheke und Medikamenten-Expedition. Mit einer Einführung von Claudia Weiß. Halle 2017 (= Kleine Texte der Franckeschen Stiftungen 17).

 

Vorträge bei der Nachwuchstagung der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus und im Forum junge Stadtgeschichte 2016

Am 20. Mai und 10. Oktober 2016 sprach die Projektbearbeiterin zum Thema »Alchemie und Hallescher Pietismus. Alchemistische Einflüsse auf die Pharmazie der Glauchaschen Anstalten im 18. Jahrhundert« bei der Nachwuchstagung der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus sowie im Forum junge Stadtgeschichte des Vereins für Hallesche Stadtgeschichte in Halle. In Vertiefung dieser Vorträge sowie ihrer kurz zuvor verfassten Masterarbeit zum selben Thema erschien folgender Aufsatz in »Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus« (Bd. 43 – 2017): »Göttliche Arzneien oder Häresie? Alchemistische Pharmaka am Halleschen Waisenhaus in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts«.