Pietismus und deutsche Literatur im 18. Jahrhundert
Ganz in der lutherischen Tradition kultivierte der Pietismus die Sprache auch im Hinblick auf Dichtung und Literatur. Sein bedeutendster Beitrag zur deutschen Literatur war die geistliche Lyrik, die durch Gefühlsinnigkeit und sprachliche Kraft gekennzeichnet war. Daneben wurden individuelle Lebens- und Erfahrungsberichte verfasst sowie Sammlungen exemplarischer Lebensläufe von Pietisten verlegt. Diese Werke dominierten zusammen mit der von Pietisten herausgegebenen Erbauungsliteratur den deutschen Buchmarkt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Diese auf Innerlichkeit und Emotionen konzentrierte Literatur brachte eine ganz eigene Sprache mit spezieller Terminologie und Semantik hervor, die in die deutsche Literatur von der Empfindsamkeit, über den Sturm und Drang bis hin zur Romantik Eingang fand. Auch inhaltlich war die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts mit ihrer Betonung der Emotionalität stark durch den Pietismus geprägt. Waren doch alle bedeutenden deutschen Literaten im 18. Jahrhundert protestantisch erzogen, viele stammten zudem aus evangelischen Pfarrhäusern oder pietistischen Familien.
Zitat des Germanisten Heinz Schlaffer
»Was also konnte dann die neue, die eigene Sprache der deutschen Literatur sein? Eine Sprache, die weder vergangen noch Literatur war: die der protestantischen Religiösität, zumal in der Ausprägung des Pietismus, der […] jedes Mitglied der Gemeinde und nicht nur den Pfarrer zur Aussprache über religiöse Fragen ermächtigt hatte. Ermächtigung aller, Befähigung vieler zu Rede und Schrift war die erste Bedingung für die Entstehung einer literarischen Epoche im bürgerlichen Zeitalter Deutschlands. Die protestantische Sprache war, insofern sie in das fremde, fast feindliche Gebiet der schönen Literatur versetzt wurde, vertraut und neu zugleich: vertraut, weil […] die Zöglinge frommer Gemeinden sie von Kindheit an hörten oder lasen.«
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