Die Rückkehr der Seidenspinner

Ein Haufen Maulbeerblätter mit kleinen Seidenraupen darauf
Die kleinen Seidenraupen, kurz nach dem Schlüpfen.
Frisch gepflückte Maulbeerblätter mit unreifen Maulbeeren
Maulbeerblätter - die liebste (und einzige) Nahrung für Seidenspinner
Ein Haufen großer, weißer, voll ausgewachsener Seidenraupen auf Maulbeerblättern sind kein Anblick für schwache Nerven.
Nach ca. vier Wochen sind die Seidenraupen ordentlich gewachsen. Bald werden sie sich verpuppen.
Aus kleinen Ästen wurde ein Gestell gebaut, an dem sich die Raupen verpuppen können.
Konstruktion von Gestellen, an denen sich die Raupen verpuppen können.
Eine Seidenraupe neben einem bereits verpuppten Seidenspinner an einem Maulbeerblatt
Die Seidenraupen beginnen sich zu verpuppen.
Seidenspinnerpuppen in unterschiedlichen Stadien: eine Raupe mit dünnen Seidenfäden um sich und ein vollständig geschlossener Kokon
Nach und nach entsteht ein vollständig geschlossener Kokon.
Eine Hand präsentiert eine Puppe ohne Kokon.
Eine Puppe ohne Kokon
Ein verwandelter Seidenspinner vor seinem Seidenkokon
Frisch geschlüpft. Einer der ersten Seidenspinner erblickt als Falter wieder das Tageslicht.
Ein frisch geschlüpfter Seidenspinner auf seinem Seidenkokon
Willkommen zurück! Aus der riesigen Seidenspinnerraupe ist ein kleiner Falter geworden.
Zwei Seidenspinner bei der Paarung
Amore im Seidenspinnerquartier! Zwei Seidenspinner haben sich gefunden. Für mehrere Stunden werden sie sich nicht mehr voneinander lösen.
Viele kleine gelbe Eier an einem Ast
Massenablage der kleinen gelben Eier: Bis zu 500 Eier kann ein einziges Seidenspinner-Weibchen legen.
  

Bereits im 18. Jahrhundert wurde in den Franckeschen Stiftungen mit einer Seidenraupenzucht experimentiert. Der preußische König Friedrich II. erhoffte sich, durch eigene Seidenproduktion die Abhängigkeit von den teuren Importen aus China zu umgehen. Mit königlichem Befehl und einer Schenkung von 330 Maulbeerbäumen konnte die Seidenraupenzucht 1744 aufgenommen und tatsächlich Rohseide produziert werden. Nach anfänglichen Erfolgen führten jedoch Krankheitsschäden und widrige klimatische Bedingungen zu einem Einbruch der Erträge, so dass im Jahr 1805 der Seidenbau gänzlich eingestellt wurde. 213 Jahre später, im Jahr 2018, ist es Cornelia Jäger gelungen, erneut Seidenspinnerraupen schlüpfen zu lassen. Im Rahmen der umweltpädagogischen Angebote im Pflanzgarten können die Kinder das Wachsen und die Wandlung vom Ei zum Falter miterleben.

Nach dem Schlüpfen haben die kleinen Raupen erst einmal großen Hunger. Mehrmals täglich werden sie mit frischen Maulbeerblättern versorgt, damit sie wachsen und sich nach ca. einem Monat verpuppen können. Glücklicherweise stehen auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen noch vier Maulbeerbäume. Denn die hungrigen Raupen verschlingen Unmengen. Dank der regelmäßigen Fütterung und gleichmäßiger klimatischer Bedingungen wachsen die Raupen rasant. Nach vier bis fünf Wochen sind die Seidenraupen groß genug. Sie beginnen, ihren Seidenfaden zu spinnen und sich in ihrem Kokon zu verpuppen. Die Kinder haben dafür Gestelle gebaut, die den Raupen helfen sollen, sich daran zu verpuppen.

Der Kokon besteht aus einem einzigen bis zu 900 Meter langen Seidenfaden. Der Bau des Kokons dauert ca. 3 bis 4 Tage. Danach verwandelt sich die Raupe in einen Falter. Manche der Seidenraupen haben es nicht geschafft, einen Kokon zu bauen. In der freien Natur wären sie wohl eine zu offensichtliche Beute für Fressfeinde. Im Schutz unseres Pflanzgartens haben sie aber mit dem Verpuppungsprozess begonnen. Die Schulgartenkinder konnten beobachten, wie sich die Raupe immer mehr zusammenzieht und verfärbt.

Drei Wochen mussten sich die Kinder gedulden, dann konnten sie das Wunder der Metamorphose bestaunen: Die ersten Falter trauen sich ans Tageslicht und schlüpfen aus ihren Kokons. Durch ein winziges Loch im Kokon, das sie mit einer ätzenden Darmflüssigkeit geschaffen haben, kämpfen sie sich ins Freie. Sobald es der Kopf durch das Loch geschafft hat, geht alles ganz schnell und der Seidenspinner ist als Falter zurück. Direkt nach dem Schlüpfen wirken die Falter noch recht benommen. Fliegen werden sie gar nicht. Sie warten auf ihre Artgenossen, um mit der Paarung zu beginnen. Mehrere Stunden dauert die Paarung der Seidenspinner. Kann man die Weibchen von den Männchen unterscheiden? Die Kinder des Schulgartens haben ihre eigene Theorie: »Die Weibchen sind dicker«, schlussfolgern sie. Das erscheint logisch, vor allem, wenn die Weibchen kurz vor der Eiablage sind. Zwischen 400 und 500 Eier legt ein einziges Seidenspinner-Weibchen ab.

Kurz nach der Eiablage sterben die Falter. Die Eier können für die nächste Maulbeersaison aufbewahrt werden, die im Pflanzgarten beginnt, sobald die Bäume wieder frische Blätter austreiben.

Die Geschichte des Seidenbaus in Preußen

Anfang des 18. Jahrhunderts kam mit den Hugenotten die aus China stammende Kunst des Seidenbaus nach Preußen. Die Seidenraupenzucht galt bald als Zauberformel, um das preußische Außenhandelsdefizit zu bekämpfen und den Staatshaushalt zu sanieren. Der preußische König ordnete deswegen an, überall im Land Maulbeerbäume anzupflanzen, um Myriaden hungriger Raupen hochzupäppeln, aus deren Kokons dann wertvolle Seidenfäden gewonnen werden sollten. Am 17. Februar 1744 wies Friedrich II. (1712–1786) per Befehl auch das Hallesche Waisenhaus an, eine Maulbeerbaum-Plantage für die Seidenraupenzucht anzulegen »zu deren Anrichtung und würcklichen cultivirung die Waysen Kinder gebrauchet und beständig angeführet werden sollen […]«. Unter dem Direktor Gotthilf August Francke (1696–1769) entstand dort, wo heute die Hochhäuser in der Voßstraße stehen, aus einem Grundstock von 330 geschenkten Pflanzen in den folgenden zwei Jahren eine Baumschule mit über 4.600 größeren und 15.000 jungen Maulbeerbäumen. Denn nur mit deren Blättern lassen sich die Seidenraupen füttern. Im Archiv gibt es über dieses aktuelle Thema des 18. Jahrhunderts viele Aufzeichnungen bis hin zu Zeichnungen und historischer Fachliteratur. Drei Jahre später begann hier die Produktion von Rohseide. 1805 musste der Seidenbau aufgrund der widrigen klimatischen Bedingungen in ganz Preußen eingestellt werden. Seidenraupen sind empfindlich und eigentlich in wärmeren Regionen zu Hause.